Reisebericht Mai 2013
…und wieder stand ein TIN Transport an. Am Mittwoch Nachmittag brachte mich mein „Arbeitsehemann“ zum Bahnhof nach Sankt Wendel (Udo an dieser Stelle nochmal herzlichen Dank).
Während ich am Bahnsteig wartete, war ich ausschließlich mit meiner geplanten Kartoffelwerbung beschäftigt, die eben mal so im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fiel – bis nach Frankfurt sollte mich die Lösung meines nun kurzfristigen Werbelochs begleiten. Dann war ich dort aussteigen – umsteigen – toll Bahnfahren ist aufregend, vor allem wenn man das so selten tut wie ich.
ICE nach Nürnberg. Wie gemütlich und da waren sie wieder – die Hunde – ich erinnerte mich an meine letzte Fahrt. Gänsehaut überzog mich. Ich dachte an die Hunde die wir in ein besseres Leben bringen durften und an die, die zurückbleiben werden. Ich dachte an Jonny aus Nagykanizsa – der liebe Jonny! Auch er würde noch in Ungarn bleiben müssen. Die Fahrt zog sich – wie meine Gedanken.
Endlich in Nürnberg angekommen, holte mich Bille ab. Man Bille hab ich mich gefreut Dich zu sehen! Wir fuhren gemeinsam zu ihr Nachhause, kurz später kam auch Sabine an. Bille wollte uns eigentlich noch mit einem leckeren Abendessen verführen, aber wir hatten keinen Hunger – wir wollten los - los und Kilometer fressen! Wir fuhren fast die ganze Nacht – auf irgendeinem Rastplatz im nirgendwo schliefen wir dann 1 oder 2 Stunden. Die Kälte kroch uns durch die Knochen und wir fuhren weiter. Gegen 9 Uhr kamen wir in Nagykanizsa an. Der Himmel war wolkenbehangen und regenschwer. Wir luden einen Teil der Spenden aus und auch Kleidung für die Leute in im Tierheim für wenig Geld arbeiten. Um 11 Uhr hatten wurden wir zu einem Termin beim Bürgermeister von Nagykanizsa gebeten. Ich konnte mir darunter nicht wirklich etwas vorstellen, zog aber vorsichtshalber wenigstens einen schwarzen Pulli über das Micky Mouse T-Shirt. Na ja..
Mit nassen Jeans, verstruppelter Mähne und total übernächtigt (nein wir sind noch nicht so alt wie wir auf dem Foto aussehenJ) wurden wir hochoffiziell empfangen. Ein Dolmetscher stand dem Herrn Bürgermeister zur Seite. Auch ein Fernsehteam und ein Redakteur der ansässigen Zeitung war Vorort. Gemeinsam mit Aniko (Leiterin des TH Nagykanisza) wurden wir empfangen. Wir erhielten großes Lob für unseren Einsatz für den Tierschutz im Allgemeinen und für die Unterstützung des Tierheims im Speziellen. Feierlich wurde uns eine Urkunde überreicht. Ehrlich, wir waren stolz - so stolz das wir sogar den Herrn Bürgermeister zum Abendessen einladen wollten um ihm mehr über den Tierschutz und die Hilfestellung die wir in Ungarn bräuchten zu erzählen. Der Dolmetscher war zwar sehr sympathisch, aber leider hat er wohl nicht alles so ganz verstanden und so fiel auch diese Frage unter den Tisch. Eigentlich schade…
Wir fuhren zurück zum Tierheim. Es regnete – tapfer liefen wir durch die Zwingerreihen, notierten die Daten vom einen oder anderen Hund und machten so gut es ging Fotos. Die Tinte lief über das Papier und der Regen über unsere Gesichter. Das Wetter wurde immer schlimmer. Mittlerweile waren wir wirklich bis auf die Unterhosen nass. Wir entschieden in die Pension zu fahren und uns umzuziehen. Dort angelangt kam dann die Schreckensnachricht, Marlou , Petra (Bönelt) und Detlef hatten einen Autounfall und lagen im Krankenhaus in Kaposvar !!!!
Wir waren wie gelähmt! Nach einem Telefonat mit Petra waren wir etwas erleichtert – sie hatte ihren Humor nicht verloren und Detlef versorgte beide fürsorglich. Wir würden sie am nächsten Tag besuchen. Auch mußten wir kurzfristig einen Transportbegleiter ab Tennelohe finden, da die ursprüngliche Planung vorsah, dass Petra das Teilstück bis Hagen fuhr. Sabine rief Steffi und Bille an und beide sprangen von jetzt auf gleich ein. 1000 Dank an Euch und den superschnellen Einsatz!!!
Am Abend stand für uns noch ein sehr wichtiges Treffen mit Aniko und Pali (Freund und Übersetzer) an. Es sollte besprochen werden, wie wir künftig mit der Situation umgehen werden, wenn an das Tierheim Nagykanizsa eine Tötungsstation angeschlossen werden soll. In Planung sind 24 Zwinger in welche Hunde aus 92 (!) umliegenden Dörfern ihre letzten Tage verbringen sollten. Wir besprachen alle Punkte – nur gemeinsam und mit einer lückenlosen und zeitnahen Zusammenarbeit würde es uns gelingen Hunde zu retten. Es wurde ein langer Abend mit jeder Menge Diskussionen – aber am Ende stand fest – wir haben ein gemeinsames Ziel – Leben zu retten!
Wir kamen zurück in die Pension. Ehrlich ich schlief schon bevor ich lag. Was für ein Tag !
Am nächsten Morgen fuhren wir nochmal ins Tierheim – nahmen dort noch einige Hunde in Daten und Bild auf und der Regen ging weiter. Es hatte keinen Sinn - wir fuhren nach Kaposvar um unsere Mädels zu besuchen.
Ein großes Gebäude mit vielen Fenstern und 70iger Jahre Charm. Wir liefen die Treppen hoch und ich hatte ein beklemmtes Gefühl. Was würde uns erwarten? Wir marschierten durch die geöffnete Zimmertür (alle Patientenzimmertüren sind dort offen) und uns traf der Schlag! Petra war nicht nur grün, gelb, blau im Gesicht, sondern hatte auch eine 6cm lange genähte Schnittwunde über dem Augenlid. Marlou lag im Hemdchen da. Während Petra sich wenigstens noch bewegen konnte, bestand für unser Marlouchen jede Bewegung nur aus Schmerz! Oh ich fühlte wie die Tränen in mir hochstiegen. Ich bin halt so… Detlef versorgte nicht nur die Mädels, sondern auch ihre Hunde, Marlous Hunde, Hühner, Gänse, Kaninchen, Katzen …hab ich noch was vergessen?
Detlef ich weiß ich widerhole mich – aber Du bist einfach ein Mann für alle Fälle!!
Bedrückt fuhren wir weiter nach Mohacs. Dort angekommen bezogen wir unsere kleine Pension und gingen Essen. Sabine und ich saßen da, schwiegen und kauten gedankenverloren vor uns hin. Wir konnte die Ereignisse der letzten Stunden gar nicht fassen. Der Stolz über die Ehrung durch die Stadt Nagykanizsa war schon lange verblasst und nicht mehr wichtig – in unseren Köpfen kreisten die Fragen und Ängste bezüglich der neuen Tötung. Die Bilder unserer lieben Freundinnen und der flüchtig verdrängten Gedanke dass dieser Unfall auch anders hätte ausgehen können. Manchmal ist es einfach schwer…
Wir gingen schlafen.
Es war Samstag. Wir fuhren ins Tierheim Mohacs. Dort besprachen wir mit Frau Dr. Papp die Renovierung der Quarantänestation. Auch soll ein Behandlungszimmer angeschlossen werden um kleinere Eingriffe direkt dort vornehmen zu lassen. Nachdem auch die letzten Spenden entladen wurden, begannen wir die Hunde mit Halsbänder zu versehen und in die mit Decken bestückten Körbchen zu laden. Wie immer in Mohacs liefen jede Menge Tränen. Die Leute die dort arbeiten, sind so herzlich. Oft haben die Mitarbeiter zur ein oder anderen Fellschnauze ein ganz besonderes Gefühl – natürlich weinte ich mit .. ich bin halt so..
Glücklich wurden alle Auswanderer verstaut und weiter ging es nach Dombovar. Dank Ingrid, die direkt einsprang als Marlou ausfiel war es möglich, auch diese Hunde ordnungsgemäß mit Pass und Traces zu laden. Bei jeder Reise sieht man Fortschritt um Fortschritt in Dombovar. Es gibt nun fließend Wasser. Neue Zwinger, mehr Platz für die reservierten Hunde und viele mehr… das alles Dank unserem holländischen Team in Ungarn! Marlou, Ingrid und Peter, Thea und Rob – ohne Euch wäre das alles nicht möglich gewesen! Leider konnten wir Miklos nicht laden. Er sollte ursprünglich mit Petra fahren, was auf Grund des Unfalls nun nicht möglich war. Die Reisepapiere für Miklos waren nicht bereit und so mussten wir ihn leider zurücklassen. Keine Sorge – er wird in Kürze mit einer Reisepatin zu seinem neuen Frauchen gebracht – was beweist – irgendwie geht es immer gut.
Die nächste und letzte Ladestation ist Nagykanisza. Schnell sind alle Reisenden eingeladen, jeder bekommt noch etwas zu trinken und ein kleines Leckerli. Wir verabschieden uns herzlich von Aniko. Sie sieht müde aus … mein Herz ist leicht – es ist erfüllt von dem guten Gefühl nun 29 Hunde in ein liebevolles Zuhause bringen zu dürfen. Wir werden sehen was kommt und dann werden wir alles tun und mit allen Mittel kämpfen das Beste daraus zu machen. Denn das ist die Wahrheit!
Auf der Rückreise fiel mir - wie so oft auf - wie schön Ungarn ist! Es ist sooo schön!
Den Tierschutz dort auf nur annähernd an unsere Maßstäbe anzupassen, wird noch ein weiter Weg sein. Aber aufgeben? Nie !
Die Fahrt mit Sabine war einfach schön. Lange Gespräche und vertrautes Schweigen – es war 2 Uhr in der Nacht als wir vom österreichischen Zoll kontrolliert wurden. (Hier gibt es zu erwähnen das ich am Bodensee geboren bin und ich eine ganz eigene Meinung (natürlich aus Erfahrungswerten) zu Österreichern – Tierschützer natürlich ausgenommen – habe, also zurück zur Zollkontrolle.
Junger Herr mit Taschenlampe, älterer Herr mit fester Stimme. „Bitte aussteigen“ – „Was haben sie geladen?“ – Wir: „Hunde – wir hielten alle relevanten Papiere den Herren hin“ – eindeutig Überforderung…Ich sagte noch: „Bringen Sie ja nichts durcheinander – Hasenblick – verschmitztes Lächeln -
Der Zöllner: „ Und sie meinen das die Hund in Ungarn ein schlechtes Leben haben? Wir : „Ja“ Er: „Und sie finden das richtig die Hunde nach Deutschland zu bringen?“ Wir: „Ja“ (zwischen drin sagte er uns immer wieder wir sollen jetzt den Mund halten – na das mit dem Antworten war entsprechend schwer ;-) Er: Gibt es denn in Deutschland keine Hunde und dann „ich kann wenn sie es darauf anlegen jetzt alle Hund per Chip prüfen. Sabine: „Na klar – kein Problem wir haben ein Chiplesegerät im Auto“ Er: „Halten Sie den Mund und lassen sie mich sprechen!“ Dann – „ was kosten die Hunde? Das ist ja ein Warenwert der event. verzollt werden muss.“
Wir: „Hunde werden nicht verzollt! „ Ich fragte ihn nach seinem Namen – den wollte er uns partou nicht geben – so langsam wurden wir ungemütlich. Ok er gab auf wir fuhren weiter.
Nicht ärgern – nur wundern. Danach lief alles ordnungsgemäß – alle Hunde wurden ihren neuen Frauchen und Herrchen übergeben. Noch eine kleine Polizeikontrolle in Weiskirchen-Rodgau – och macht doch nichts… ;-) UND es war uns allen eine Freude jeden einzelnen Hund seiner neuen Familie zu übergeben. Alle haben sich gefreut (Thema Darinka lassen wir außen vor – da fehlen sogar mir die Worte) – also nochmal – es ist immer wieder ein unglaubliches Erlebnis und ich habe natürlich geweint… ich bin halt so…
Petra Rogg