Meine Reise nach Ungarn im Mai 2014 – Arbeitstitel „The Transporter“
Beim diesjährigen Ehemaligen-Treffen in Kulmbach (Oberfranken), bei dem ich mit meiner Frau und unserer ungarischen Hündin Tilda angereist war, hatte ich mich am „Ungarischen Abend“ bereit erklärt eine Tour für T.I.N. zu fahren. Die konkrete Anfrage kam schnell, denn bereits für den Mai war eine Tour avisiert und geplant. Der Hauptgrund für diese Aktion war sehr einfach für mich; unsere Hündin „Tilda“ aus Kaposvar, konnte damals wegen eines Notfalls nicht auf dem geplanten Transport mitfahren, was mich und meine Frau auf die gesamte Transport-Problematik überhaupt erst aufmerksam gemacht hatte.
Mein Job war eigentlich sehr einfach, ich musste nur fahren und Fotos und Filmchen von den Neuzugängen machen. Der komplette Transport war von T.I.N. bereits logistisch geplant und bestens durchorganisiert. Meine Fracht: Sabine, die 1. Vorsitzende von T.I.N. und eure Spenden! Die Orga einer solchen Fahrt ist eine Menge Arbeit und alle die damit zu tun haben müssen regelmäßig miteinander kommunizieren und das neben dem „normalen Alltag“. Eine beachtliche Leistung von T.I.N..
Am frühen Mittwoch ging es für mich von Mainz mit dem Zug zum Bahnhof nach Erlangen. Dort hatte „Bille“ schon auf mich gewartet, denn vor ihrem Haus, wartete Sabine und der vollgepackte T.I.N.-Transporter bereits auf mich. Noch schnell einen Kaffee bei Sybille und los ging die Fahrt nach Ungarn. Erst nach Niederbayern, durch Österreich durch die Alpen nach Slowenien, bis nach Ungarn und schließlich am Abend in die Pension „Herkulesz“ in Nagykanizsa (was ich jetzt schon fehlerfrei aussprechen kann). Die Straßen bis zum Ziel sind alle einfach zu fahren und in einem wirklich sehr guten Zustand – ergo kein Problem fahrtechnisch.
Gleich morgens sind wir dann zum Tierheim in Nagykaniza gefahren und haben dort die Futterspenden ausgeladen. Alle im Tierheim haben geholfen und den riesigen Haufen in die Container des Tierheimes gebracht. Das Tierheim selbst befindet sich im Regelbetrieb in einem Stadium zwischen Ausbau und Instandsetzung. Einige Ecken sind neu angelegt oder bebaut und andere Bereiche sind veraltet oder in einem sehr schlechten Zustand. Die wenigen Mitarbeiter vor Ort geben sich mächtig Mühe und tun was sie können. Jenny Minshull ist dort seit ca. 2 Jahren eine ehrenamtliche Helferin vor Ort und versucht zu unterstützen wo sie kann. Das Problem im Tierheim sind neben den „Gebäuden“ (Container) und dem „Lager“ (ebenfalls Container) natürlich die Käfigbereiche und Zwinger, deren Platzangebot nicht ausreichend ist und die zum größten Teil nur einen unebenen Betonboden haben. Solche Zwingerbereiche sauber zu halten ist eine unmögliche Aufgabe, bei der Menge von Hunden. Auch die Reinigung ist eine Aufgabe von zwei Mitarbeitern, die nicht zu bewältigen ist. Dementsprechend schnell verunreinigt sind die Zwinger oder Käfige dann auch in der Konsequenz. Die Hunde möchte man natürlich alle mitnehmen und wenn sie hinter den Gittern ihre Schnauzen herausdrücken, um wenigstens einmal gestreichelt zu werden, ist das schon ein nahegehender Eindruck für einen Menschen, der so etwas noch nicht gesehen hat.
Die Bestandsaufnahme hat wirklich den ganzen Tag gedauert. Sabine hat nebenbei noch wichtige Gespräche mit der Tierheimleitung geführt und dafür den Besitzer unserer Pension als ehrenamtlichen Übersetzer „verpflichtet“. Übersetzer vor Ort sind wichtig, obwohl Sabine auch noch abends (oder nachts) nebenbei fleißig ungarisch lernt, ist eine Absprache über anstehende Projektbeteiligungen nur mit einem Übersetzer möglich, sofern hinterher auch etwas vernünftiges dabei herauskommen soll :-)
Am nächsten Tag sind wir schon ganz früh weiter nach Dombovar in die Tötungsstation gefahren. Dort hat uns „Kata“ und „Iris“ in Empfang genommen. Beide engagieren sich dort jeden Tag für die „Hunde mit Ablaufdatum“. Diese Station wirkt allenfalls zweckmäßig und ist zumindest teilweise in einem fragwürdigen Zustand. Die Quarantäne-Zwinger sind bessere Müll-Container mit Gittern davor. Wenn es eisig kalt oder heiß ist, verenden die Tiere im schlechtesten Fall dort jämmerlich. Es ist teilweise kein geeigneter Schutz vor der unerbittlichen Sonne im Sommer oder eine Hundehütte in der die Hunde Schutz suchen könnten. Einige Teile sind aber auch neu gebaut und mit der Unterstützung von T.I.N. ausreichend groß für die „Insassen auf eine begrenzte Zeit“, deren Uhr leider unerbittlich tickt. Hier hat T.I.N. unglaublich viel erreicht und getan, aber es ist noch viel Bedarf und Mithilfe nötig. Iris Alberts und Kata, aber auch anderen Helfer vor Ort kümmern sich so gut wie es geht um die Hunde in Dombovar; davor kann ich mich nur mit vollem Respekt verneigen. Es gibt in Ungarn weiß Gott andere Probleme im alltäglichen Leben, also ist es nicht selbstverständlich dass einheimische Helfer vor Ort ihre Zeit und Arbeitskraft so einsetzen. Auch hier wurden wieder viele der Spenden abgeladen und verbracht. Wir sind am gleichen Tag noch weiter nach Mohacs gefahren um uns dort mit Marlou Kil zu treffen. Marlou betreibt mit ihrem Mann den Gnadenhof Olivers. Eine sehr beeindruckende Frau, die u.a. auch in Mohacs eine unglaublich wertvolle Arbeit leistet.
Das Tierheim in Mohacs ist insgesamt in einem sehr schlechten Zustand und wirkt auch nicht gerade einladend, aber die Mitarbeiter sind wirklich sehr herzlich zu den Tieren und fortwährend sehr engagiert. Hier wird – sofern die Zeit das zulässt – auf problematische oder kranke Tiere einfühlsam eingegangen. Sehr schlimm ist die Unterbringung der Neuzugänge, aber auch der obere Quarantänebereich. Die Käfige im Gebäude sind für größere Hunde viel zu klein es wirkt unwürdig dort ein Tier einzusperren zu müssen… aber irgendwo müssen sie untergebracht werden. Die Hygiene-Bedingungen sind in allen Stationen schwierig gewesen. Judith, Anita und die Tierärztin Neomi, die Tochter der Leiterin Dr. Papp, hatte ich vor Ort kennen und schätzen gelernt. Das ist echte Knochenarbeit, bei jedem Wetter, Sommer wie Winter. Wir haben noch die beste Jahreszeit erwischt, es war mediterrane 23 Grad warm und den leichten Regen hat man kaum bemerkt. Nach dem wir auch dort alle Neuzugänge vereinnahmt hatten, waren wir abends ins Bett gefallen und zumindest ich bin mit diesen Eindrücken eingeschlafen.
Auf der sehr clever geplanten Route zurück nach Deutschland haben wir dann die vermittelten Tiere eingeladen. Los ging es in Mochac, bis nach Dombovar, wo leider der Chip von „Norbi“ nicht lesbar war und ich mich sehr geärgert habe, aber auch akzeptieren musste, dass man eben kein Tier ohne funktionierenden Chip mitnehmen darf. Wir haben alles versucht, die beiden Tierärzte und alle Helfer haben es verzweifelt und einzeln versucht, bei Norbi den Chip zu lesen, aber Fehlanzeige. Der Chip war nicht lesbar. Das passiert ab und zu, sagte mir Sabine dann tröstend. Norbi sollte auf eine der Pflegestellen in Deutschland gehen. Zum Glück passiert das nicht oft erklärte mir Sabine auf dem Weg nach Nagykanizsa. Stelle man sich vor, man wartet auf seinen Hund und bekommt diese Nachricht – grauenhaft. Dann drängte auch die Zeit langsam, wir hatten ja schließlich noch acht Hunde die auf uns warteten.
In Nagykanizsa lief alles planmäßig, hier luden wir den Rest der Futterspenden aus und ich habe noch einen Schäferhund gefilmt, dessen Beine hinten immer weggeklappt sind. HD und Hüftenprobleme oder keine Muskulatur. Ihn wollten wir auf jeden Fall noch dokumentieren. Dann ging es mit ca. einer Stunde Verspätung los Richtung Heimat, bei schönstem Wetter – bis Slowenien, wo wir an der Grenze auch mal von der Polizei angehalten wurden. Nach 10 Minuten war aber alles geregelt und ich konnte den Weg fortsetzen. Dann bis Österreich, durch etliche Tunnel und mit viel Regen durch die Alpen nach Niederbayern bis Tennenlohe, wo die ersten Hunden rausgingen. Es war schon nach Mitternacht und die erste Adoptantin – ein junges Mädchen - nahm ihren neuen Hund aufgeregt entgegen, ihr Vater war auch dabei. Ich wollte das filmen, aber damit hätte ich die ersten Momente des Kontaktes vielleicht gestört, darum hab‘ ich den Moment einfach nur genossen. Ein extrem befriedigendes Gefühl, obwohl ich ja nur der Lieferant war – sehr erhebend. Ein Hund mit neuer Zukunft, glückliche Menschen und ein zufriedener Fahrer – das war also der Lohn für den Aufwand. Er war es definitiv wert.
Sabine ist dann noch mit zwei Hunden und dem kleineren T.I.N.-Mobil nach Bayreuth gefahren, denn Bille und Peter hatten auch schon auf uns gewartet und derweil die frisch gebackenen Hundebesitzer betreut. Danach war ich Beifahrer von Peter, der dann die weitere Strecke hoch in den Norden gefahren ist. In Weiskirchen hatten wir noch eine Hündin ihren neuen Besitzern übergeben. Auch in Weiskirchen hatte ich wieder dieses tolle Gefühl im Bauch. Peter hat mich dann noch nach Mainz – Ginsheim gefahren – special thank to Peter an dieser Stelle - das lag ungefähr auf der Strecke zum Glück. Peter ist Auslieferungsprofi, hat schon einige Transporte gefahren und viele Erfahrungen gesammelt, was man auch sofort gemerkt hat. Um ca. drei Uhr morgens kam ich dann in Ginsheim an und wer hatte dort auf mich gewartet (ein klein wenig beleidigt) TILDA... und natürlich meine Frau Jeannette, die sich mehr Sorgen als ich gemacht hatte wegen der Tour. Das nächste Mal möchte sie mitfahren, aber einer muss ja auch den Laden Zuhause schmeißen.
Ich werde wieder fahren, zwar noch nicht alleine, aber für mich ist das selbstverständlich ein bisschen von dem zurück zu geben, was mir an Gutem widerfahren ist. T.I.N. ist wie bestimmt andere Vereine auch, ein exzellentes Beispiel für guten Tierschutz. Der Vorstand eines solchen Vereins muss schon ein wenig „crazy“ sein, sonst kann man solche Aufgaben nicht verantwortlich durchführen. Ich bedanke mich für diese Erfahrung, durch ich wieder ein Stück dazu gelernt habe.
Michael Berger – Dienstag, 13.05.2014